Faktencheck: Überlasten E-Autos unser Stromnetz?

27.03.2024 · Elektromobilität

Von Melissa Hiltl

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Es hält sich hartnäckig der Mythos, dass die zunehmende Anzahl an E-Autos auf deutschen Straßen das Stromnetz durch die hohe Belastung instabil machen würde. Die Sorge ist, dass ein überlastetes Netz durch E-Autos Folgen für die Grundversorgung für Haushalte und Industrie hätte.

Aber stimmt es wirklich, dass E-Autos unser Stromnetz überlasten? Und wie trägt der Netzausbau für erneuerbare Energien dazu bei, dass ausreichend Strom vorhanden ist, wenn mehr E-Autos zugelassen werden?

Wir gehen dem Mythos mit einem Faktencheck auf den Grund!

Die Elektrifizierung von Fahrzeugen schreitet voran

Ziel der Bundesregierung ist es, bis 2030 mindestens 15 Millionen E-Autos auf deutschen Straßen zu haben: Bei den insgesamt 45 Millionen Fahrzeugen auf deutschen Straßen würde das einen Anteil von 33 Prozent ausmachen. Denn der Ausstoß von Treibhausgasen soll bis 2030 um über 40 Prozent im Vergleich zu 2020 sinken. Dafür fördert die Bundesregierung die Bahn, den öffentlichen Personennahverkehr sowie die Elektromobilität.

Mitentscheidend für den Erfolg dieses Ziels ist auch der beschleunigte Ausbau einer flächendeckenden und bedarfsgerechten Ladeinfrastruktur. Die Bundesregierung strebt bis 2030 eine Million öffentlich (und diskriminierungsfrei) zugängliche Ladepunkte an. Der Fokus liegt auf der Schnellladeinfrastruktur. Wie hält das Stromnetz diesem massiven Ausbau von Ladeinfrastruktur stand?

Bislang keine Überlastung des Stromnetzes durch E-Autos

Generell hängen die Auswirkungen von E-Autos auf das Stromnetz von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich der Gesamtzahl an E-Fahrzeugen, der Ladegewohnheiten sowie -zeiten von Benutzern und der Infrastruktur des Stromnetzes. Bislang gibt es keine Überlastung des Stromnetzes, da die Anzahl an E-Autos für das Netz noch tragbar ist. Würden jedoch alle Pkws in Deutschland, also etwa 45 Millionen, mit einem elektrischen Antrieb fahren, stiege der Strombedarf um etwa 20 Prozent, was zu einem Problem würde. Ein instabiles Netz könnte zum Beispiel dadurch verursacht werden, dass viele E-Autos gleichzeitig laden und dadurch das Netz überlastet wird.

Im Hinblick auf die Frage, ob E-Autos das Stromnetz überlasten, sind einige Punkte zu berücksichtigen:

  • Netzkapazität: In Regionen mit einer hohen Konzentration von E-Autos können lokale Netzwerke potenziell überlastet werden, insbesondere wenn viele Fahrzeuge gleichzeitig geladen werden. Dies kann vor allem in Wohngebieten oder an öffentlichen Ladestationen vorkommen.
  • Lademanagement: Intelligente Lademanagement-Systeme können helfen, die Belastung auf das Stromnetz zu reduzieren, indem sie die Ladung der Fahrzeuge so steuern, dass sie außerhalb von Spitzenzeiten erfolgt oder die Ladeleistung dynamisch an die Netzkapazität anpassen.
  • Stromspeicher für Erneuerbare Energien: Elektroautos können dazu beitragen, den Anteil erneuerbarer Energien im Stromnetz zu erhören und Schwankungen zu stabilisieren, da sie als Kurzzeit-Stromspeicher genutzt werden. Denn das E-Auto ist nicht nur zum Fahren da, sondern kann auch erzeugte Energie speichern. Werden E-Autos während Zeiten hoher Sonneneinstrahlung oder Windkraft geladen - dann sind die erneuerbaren Energiequellen besonders produktiv - belasten sie das Stromnetz nicht zusätzlich, sondern fangen Stromüberschüsse sogar auf.
  • Infrastruktur: Die Ausgestaltung und Erweiterung der Stromnetzinfrastruktur ist entscheidend, um mit der steigenden Anzahl von Elektroautos Schritt zu halten. Dies kann den Ausbau von Ladestationen und die Modernisierung des Verteilungsnetzes umfassen.
  • Technologische Fortschritte: Fortschritte in der Batterietechnologie und beim Netzmanagement können dazu beitragen, die Auswirkungen von E-Autos auf das Stromnetz zu minimieren. Dies umfasst effizientere Ladegeräte, verbesserte Batterielebensdauer und fortschrittliche Energiemanagementsysteme.

Zum Vergleich: Eine Überlastung gäbe es übrigens auch, wenn alle Besitzer eines Staubsaugers in Deutschland diesen zur selben Zeit laufen lassen. Moderne Staubsauger in der EU sind aufgrund von Energieeffizienzvorschriften auf eine maximale Leistung von 900 Watt begrenzt. Angenommen, jeder der ca. 40 Millionen Haushalte in Deutschland würde einen Staubsauger mit dieser Leistung gleichzeitig nutzen, ergäbe sich eine zusätzliche Last von 36 Gigawatt. Ein plötzlicher Anstieg um 36 Gigawatt wäre eine erhebliche zusätzliche Belastung für das Netz, die zu lokalen oder regionalen Instabilitäten führen könnte, insbesondere wenn die Netzkapazität oder die Verfügbarkeit von Reserveleistung begrenzt ist. Ein solches Szenario, in dem Millionen von Haushalten gleichzeitig eine erhebliche zusätzliche Last erzeugen, ist also eine Herausforderung für die Netzstabilität. In der Praxis ist ein derartiges Szenario jedoch höchst unwahrscheinlich und kommt nie vor.

Perspektiven auf den Ausbau des Stromnetzes

Damit das deutsche Stromnetz bei wachsender Anzahl von E-Autos stabil bleibt und es zu keiner Drosselung kommt, ist ein Ausbau des Stromnetzes notwendig. Das wird auch durch den wachsenden Anteil an erneuerbaren Energien bedingt.

Deutschland hat sich ehrgeizige Ziele zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen gesetzt, was den verstärkten Ausbau erneuerbarer Energien wie Wind- und Solarenergie erfordert. Diese Energiequellen sind oft in ländlichen Gebieten konzentriert und z. B. Windenergie ist eher in Norddeutschland verfügbar. Daher ist der Netzausbau mit Stromtrassen notwendig, um diese Energie effizient zu den Verbrauchszentren zu transportieren.

Der Netzausbau und eine Modernisierung des bestehenden Stromnetzes sind notwendig, um die steigende Menge an erneuerbaren Energien zu integrieren und die Stabilität des Netzes zu gewährleisten. Dies kann den Bau neuer Hochspannungsleitungen, Umspannwerke und anderer Infrastruktur umfassen. Ebenso braucht es für die erfolgreiche Integration von dezentralen Stromspeicher. Das ist auch im Hinblick darauf wichtig, dass der benötigte Strom für E-Autos an den jeweiligen Ladestationen ankommt.

Fortschritte in der Technologie, wie z. B. intelligente Netze (Smart Grids), können helfen, die Effizienz des Stromnetzes zu verbessern und die Integration erneuerbarer Energien zu erleichtern. Smart Grids ermöglichen eine bessere Steuerung und Überwachung des Stromflusses sowie die Integration von dezentral erzeugtem Strom aus Solar- und Windanlagen.

Vergangene Debatten zeigen, der Netzausbau stößt immer wieder auf Widerstand seitens der Bevölkerung. Aspekte sind dabei Umweltbedenken, landschaftliche Ästhetik oder persönliche Wohnnähe zu geplanten Anlagen und Stromtrassen. Deshalb sind eine umfassende Bürgerbeteiligung und offene Kommunikation wichtig, um Akzeptanz für den Netzausbau zu schaffen und potenzielle Konflikte zu minimieren.

Als letzter Aspekt sind politische und regulatorische Rahmenbedingungen zu nennen. Politische Entscheidungen und Regulierung spielen eine entscheidende Rolle beim Ausbau des Stromnetzes. Es sind klare politische Ziele und langfristige Planungen erforderlich, um Investitionen in den Netzausbau zu fördern und Hindernisse zu beseitigen.

Insgesamt erfordert der Ausbau des Stromnetzes in Deutschland also eine ganzheitliche Strategie, die technologische, politische, regulatorische sowie soziale Aspekte berücksichtigt. Damit können die Herausforderungen im Hinblick auf den Ausbau von erneuerbaren Energien effektiv angegangen und die Energiewende zusammen mit der Verkehrswende vorangetrieben werden. Hier kann die E-Mobilität mit den Zielen der Energiewende Hand in Hand gehen. Beide brauchen ein stabiles, dezentrales und besser ausgebautes Stromnetz, welches dafür sorgt, dass ausreichend Strom für Haushalte und Industrie vorhanden ist, wenn mehr E-Autos zugelassen werden.

Wo kommt der Strom für E-Autos her?

Generell kommt Strom zum Laden von E-Autos aus dem deutschen Strommix. Das bedeutet, dass öffentlich erzeugter sowie privat eingespeister Strom aus den unterschiedlichen Stromquellen wie Kohle, Gas, Wind und Solar zusammen “gemixt” wird.

Im Jahr 2023 setzte sich der erzeugte und in das Netz eingespeiste Strom laut Statistischem Bundesamt folgendermaßen zusammen: Der Anteil an erneuerbaren Energien lag bei 56,0 % (2022: 46,3 %). Mit einem Anteil von 31 % (2022: 24 %) war die Windkraft der wichtigste Energieträger für die Stromerzeugung in Deutschland. Gründe für den Anstieg des Anteils an der Windkraft waren ein gutes Windjahr sowie der Leistungsaufbau um 4,3 % bei gleichzeitig geringerer Gesamtstromerzeugung. Der Anteil an konventionellen Energien sank im Jahr 2023 auf 44 % im Vergleich zu 53,7 % in 2022. Davon ist Kohlestrom mit 26,1 % der zweitwichtigste Energieträger für die Stromerzeugung in Deutschland.

Statt den Strom zum Laden für E-Autos aus dem öffentlichen Netz zu ziehen, kann alternativ eine private Wallbox in Verbindung mit einer Photovoltaikanlage genutzt werden. Das trägt gleichzeitig zum Ausbau von dezentraler Ladeinfrastruktur bei und wird staatlich finanziell gefördert.

E-Autos im Stromnetz können zu Stromspeichern werden

Das E-Auto ist nicht nur zum Fahren da, sondern kann auch als Stromspeicher genutzt werden. Dadurch können Elektroautos helfen, lokale Schwankungen im Stromnetz auszubügeln. Vor allem mit der voranschreitenden Vehicle-to-Grid (V2G) Technologie kommt dem eine immer größere Bedeutung zu.

Bei V2G wird das E-Auto neben dem Fahren auch als Stromspeicher genutzt. Denn im Durchschnitt werden Fahrzeuge in Deutschland nur etwa eine Stunde pro Tag bewegt. Den Rest der Zeit stehen sie auf öffentlichen Parkplätzen oder warten zu Hause in der Garage oder Einfahrt. Über eine intelligente Einbindung in das öffentliche Stromnetz kann das E-Auto einerseits zum Fahren geladen werden. Andererseits aber auch Strom an passenden Zeiten wieder in das Stromnetz zurückspeisen.

Fazit: Kann das Stromnetz überlasten?

Aktuell kann das Stromnetz aufgrund von E-Autos nicht überlastet werden. Denn zum aktuellen Zeitpunkt kann die Belastung durch Ladestationen für E-Autos stabil getragen werden. Deutschlands Stromnetz ist für eine hohe Last konzipiert und kann Spitzenlasten, wie sie an kalten Wintertagen oder während besonderer Ereignisse auftreten, bewältigen. Allerdings ist das Netz auf eine durchschnittliche Last ausgelegt, die deutlich unter der maximalen Kapazität liegt, um Ausfallsicherheit zu gewährleisten.

Damit bei steigenden E-Auto-Zulassungen keine Probleme mit der Stromversorgung entstehen, müssen aber sowohl die erneuerbaren Energien als auch das Stromnetz ausgebaut werden. Denn die Kombination aus dem Boom an Elektromobilität und dem gleichzeitigen Ausstieg aus fossilen Energien erfordert einen zeitnahen Handlungsbedarf. Ebenso muss der Netzausbau geplant und anschließend umgesetzt werden, was Zeit und bedarf.

Hier ist auch der Ausbau von Stromspeichern für erneuerbare Energien von zentraler Bedeutung. Bei einer zunehmenden Versorgung über erneuerbare Energien in Deutschland müssen jahreszeitliche Schwankungen und energetische Flauten abgefedert werden. Ebenso muss die Deckung der Grundlast unabhängig von der Wetterlage sowie der natürlichen Verfügbarkeit von regenerativen Quellen gesichert werden. Deshalb sind Langzeit-Stromspeicher eine Schlüsseltechnologie der Energie- und Verkehrswende, um die Versorgung von Haushalten, Industrie und Ladeinfrastruktur zu garantieren.

Hinzu kommt, dass es für eine umfassende Verkehrswende den Wechsel von öffentlichem Nahverkehr, Logistikunternehmen und Zustelldiensten auf E-Mobilität braucht. Große batteriebetriebene Fahrzeuge wie E-Busse und E-Nutzfahrzeuge haben einen entsprechend großen Bedarf an Ladestrom und sind zudem kontinuierlicher in Benutzung als private E-Autos. Die THG-Prämie für Nutzfahrzeuge und Busse hilft zwar bei der Refinanzierung der hohen Anfangskosten. Für einen erfolgreichen Umstieg braucht es aber auch ein stabiles Stromnetz zum Laden.


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Wir haben alle weiteren Informationen für Dich in unseren FAQ zusammengetragen.

Was ist die THG-Quote bzw. die Treibhausgasminderungsquote?

Die Treibhausgasminderungsquote oder kurz die THG-Quote ist ein gesetzliches Klimaschutzinstrument, um den Ausstoß von CO2-Emissionen insbesondere im Verkehrssektor zu reduzieren.

Der THG-Quotenhandel liegt der THG-Quote zugrunde. Unternehmen, wie Mineralölkonzerne, die fossile Kraftstoffe, (z. B. Diesel oder Benzin) in Umlauf bringen und so maßgeblich zum CO2-Ausstoß beitragen, werden durch die THG-Quote dazu verpflichtet, ihre Emissionen jedes Jahr um einen festgesetzten Prozentsatz zu reduzieren.


Im Jahr 2030 soll dieser Satz bei 25 % liegen. Bei Nichteinhaltung der Quote wird eine Strafzahlung (Pönale) für jede nicht eingesparte Tonne CO2 fällig. Die Pönale ist wesentlich teurer: Aktuell liegt sie bei 600 € pro Tonne ausgestoßenem CO2.


Die THG-Quoten von Dritten wie z. B. E-Mobilisten aufzukaufen, wenn quotenverpflichtete Unternehmen ihre THG-Quote nicht durch andere Maßnahmen, wie z. B. das Beimischen von Ökokraftstoffen erfüllen können, bildet die Nachfrage im THG-Quotenhandel.

Die THG-Quote ist durch das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) und die 38. Bundes-Immissionsschutzverordnung (BImSchV Nr. 38) geregelt. Gemäß der 38. Bundes-Emissionsschutzverordnung ist das Umweltbundesamt für die Prüfung der in Verkehr gebrachten Kraftstoffe zuständig und zertifiziert die von carbonify eingereichten THG-Quotenanträge.


Seit Ende Juli 2023 sind Neuerungen in der 38. Bundes-Emissionsschutzverordnung in Kraft getreten.

Hauptsächlich sind es Mineralölkonzerne, die gesetzlich dazu verpflichtet sind, ihre Treibhausgasemissionen im Rahmen der THG-Quote jedes Jahr um einen festgelegten Prozentsatz zu mindern.


Halten die quotenverpflichteten Unternehmen sich nicht an Ihre Quote, wird eine Strafzahlung für jede nicht eingesparte Tonne CO2 in Höhe von 600 € pro Tonne CO2 fällig.


Ein Quotenverpflichteter hat unterschiedliche Erfüllungsoptionen, um die Anforderungen der THG-Quotenerfüllung zu bewerkstelligen. Insbesondere ist es der Verkauf von Biokraftstoffen, wie z. B. E10 oder E5 an der Tankstelle.


Da die THG-Minderungsquote in den vergangenen Jahren jedoch bedeutend gestiegen ist und bis 2030 auf 25 % steigen wird, schaffen Mineralölkonzerne es nicht allein durch den Verkauf von Biokraftstoffen die Anforderungen zu erfüllen, sodass Strafzahlungen drohen. Deswegen werden THG-Quotenmengen durch öffentliche Ladeinfrastruktur generiert oder die eingesparten CO2-Emissionen von Privatpersonen oder Unternehmen gekauft.

Die THG-Quote kann von allen Haltern von E-Autos, sowie von Ladeinfrastrukturbetreibern beantragt werden. Dabei ist es egal, ob es sich hierbei um private E-Auto-Besitzer, E-Flottenbetreibern in Unternehmen oder Eigentümer von öffentlicher Ladeinfrastruktur handelt. Allerdings gibt es bei den Fahrzeugen eine Unterscheidung: Es müssen quotenberechtigte Fahrzeuge sein.

Die THG-Quote kann einmal pro Kalenderjahr beim Umweltbundesamt beantragt werden. Gesetzlich ist das Instrument bis 2030 vorgesehen.

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